Colditz – eine Stadträtin wirft das Handtuch

Sonja Schilde zu Hause

Sonja Schilde zu Hause

Sonja Schilde - 28 Jahre Colditzer Stadträtin: nun ist Schluss

Sonja Schilde – 28 Jahre Colditzer Stadträtin: nun ist Schluss

Je älter man wird, desto mehr Lebenserfahrungen sammelt man. Oft erinnert man sich gern an die Erlebnisse; an gute und schlechte Zeiten. Doch irgendwann kann es auch sein, dass man einen Schlussstrich ziehen muss. Für Sonja Schilde ist dieser Punkt erreicht. Nach 28 Dienstjahren hat sie vor wenigen Wochen das Handtuch geworfen, ist als Stellv. Bürgermeisterin und Stadträtin zurückgetreten. Im letzten CT wurde dieser Schritt im amtlichen Teil mit einem Satz öffentlich gemacht; der Stadtrat wäre ihrer Bitte nachgekommen. Ein kleines
“Dankeschön” sucht man vergebens. Lassen Sie uns einen kleinen Rückblick machen.
“1993 wurde ich von Adolf Haidegger, dem damaligen Bürgermeister angesprochen”; so Sonja Schilde, “ein Jahr später ließ ich mich als Kandidat der CDU aufstellen. Weil im Stadtrat aus meiner Sicht viel zu viel Parteipolitik gemacht wurde, fasste ich die Gründung einer Bürgerinitiative in´s Auge. Diesen Schritt habe ich auch 2004 mit 24 Sympathisanten getan; die BIC (Bürgerinitiative für Colditz) wurde gegründet. Wir hatten nach der SR-Wahl 5 Sitze im städt. Parlament. Dazwischen kam ein hartes Ereignis, das Hochwasser 2002 mit seinen verheerenden Folgen. Da der damalige BM Manfred Heinz aus Gesundheitsgründen nicht seiner Arbeit nachgehen konnte, musste ich mich als Stellvertreterin um die harte Arbeit der Krisenbewältigung kümmern. 6 Monate hatte ich einen regelrechten Vollzeit-Job.”
Man muss auch mal "nein" sagen können

Man muss auch mal “nein” sagen können

Inzwischen sind Jahre vergangen; vieles hat sich geändert. Es hat sich vor allem nach der Fusion der Stadt Colditz mit der Gemeinde Zschadraß und seinen Ortsteilen, auch den 4 Ortsteilen der Gemeinde Großbothen, ein völlig neues Bild ergeben. Die Interessen sind unterschiedlichster Natur. Von den 18 Stadträten sind nach der SR-Wahl 2019 ganze 3 Sitze für die BIC geblieben. “Ich musste auch den Wechsel der Bürgermeister miterleben. Dass nicht immer alle einer Meinung sind, finde ich normal, man sollte überall seine Meinung dazu sagen dürfen. Am Ende steht eigentlich ein ausgewogener Kompromiss”, so Schilde. “Nun, seit dem letzten BM-Wechsel, hat sich allerdings die Stadtratsarbeit in puncto “Bürgervertretung” völlig geändert. Rund 10 Tage vor der SR-Sitzung werden die SRäte zu einer Arbeitsbesprechung geladen. Sie ist völlig unter Ausschluss der Öffentlichkeit und findet unter voller Verschwiegenheit statt. Warum mein Austritt? Viele Beschlüsse kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren!
Da der Bürger auf diese Weise nicht erfährt, welche SRinen oder welche SRäte diese Entscheidung herbeigeführt haben, bleiben viele Fragen offen. Wird hier nicht ein demokratisches Recht von hinten ausgehebelt? Macht es überhaupt noch Sinn, einen BM oder SRäte zu wählen, die unsere Interessen zum Wohle aller vertreten sollen? “Mir fiel schon oft als Erklärung das Wort “Ich-AG” ein.”
Sonja Schilde gab mir dennoch einige Worte mit auf den Weg: “Ich habe über die vielen Jahre, wo das Privatleben und die Familie oft hinten anstanden, mit unheimlich vielen Leuten gesprochen, habe mir ihre Sorgen angehört und versucht, sie an passender Stelle zu klären. Dabei möchte ich auch weiterhin bleiben. Wer Probleme hat, die kein offenes Ohr finden; ich stehe Ihen allen gerne zur Verfügung, versuche meine wichtigen Kontakte zu pflegen und zu nutzen.”
Sonja Schilde bei der Zeugnisausgabe 2019

Sonja Schilde bei der Zeugnisausgabe 2019

“Eng verbunden bin ich nach wie vor mit der Sophienschule. Als Förderverein versuchen wir, unseren Nachwuchs zu helfen, wo es möglich ist. Dafür engagiere ich mich auch gern weiter, denn meine Verbundenheit mit der jungen Generation darf nicht enden. Derzeit haben wir wie manch anderer Verein Schwierigkeiten mit finanzieller Unterstützung. Die Kosten bleiben und wachsen, doch die Einnahmen vor allem aus Spenden gehen zurück. Deshalb meine Bitte, helfen Sie uns, wenn es auf diese oder endere Art möglich ist; es ist kein ´rausgeworfenes Geld.”
So gehen 28 Jahre ehrenamtlicher Arbeit mit unzähligen geleisteten Stunden zu Ende. Als Außenstehender kann man dazu nur den Hut ziehen, ein kleines “Dankeschön” für die Anerkennung dieser aufopferungsvollen Arbeit ist nur ein Tropfen des Anstandes. Für die nächsten Jahre im “Rentenalter” alles erdenklich Gute. Colditzer werden die überlegte Stimme im Stadtrat vermissen. Wie sagte man doch: Neue Besen kehren gut, aber die alten wissen, wo der Dreck liegt!

spiegel

3 Kommentare

  1. Andrea Mehmel
    Andrea Mehmel 30. Mai 2022 at 10:11 | | Antworten

    Wenn man nach so vielen Jahren als SR das Handtuch wirft, wie Frau Schilde es getan hat, stellen sich dem Bürger so einige Fragen nach den Gründen (hierfür Danke Herr Spiegel).
    Sicher wurde die Entscheidung zu gehen von ihr nicht leichtfertig aber konsequent getroffen und Ihre Begründungen erscheinen mir mehr als nachvollziehbar.

    Was sind die Vorteile der Abschaffung von Ausschüssen und Ortschaftsräten? Man könnte fast meinen, dass hier die Effektivität durch das Vermeiden von lästigem Reinquatschen erhöht wird. Dabei wird völlig außer acht gelassen, dass man Effektivität auch durch das frühzeitige Einbinden der Menschen vor Ort, Arbeitsteilung und rechtzeitige Information erreicht.
    Mit den Ausschüssen hatten die SR die Möglichkeit, vorab Beschlussfassungen gemeinsam zu diskutieren und sich eine Meinung zu bilden die sie mit ihrem Gewissen auch vereinbaren können, um sie dann in der gemeinsamen SR Sitzung aus der jeweiligen Fraktion heraus vorzutragen.

    Es wurde in jedem Fall alles – und ich betone es nochmal:
    gemeinsam!!! vor der Stadtratsitzung ausdiskutiert und nicht alle mussten sich mit allem beschäftigen, sondern es herrschte Arbeitsteilung.
    Und auch die Bürger durften an den Ausschusssitzungen (öffentlicher Teil) dabei sein und so vorher erfahren, was denn so geplant ist in ihrer Stadt.
    Ortschaftsräte gab es in jedem Ortsteil – gelebte Bürgernähe!

    Das ist seit geraumer Zeit nicht mehr so und mir drängt sich die Frage auf:
    Ob Frau Schilde wirklich die Einzige ist, die mit den gegenwärtigen Arbeitsstrukturen im Stadtrat unzufrieden ist?

    Sehr geehrte Frau Schilde, Sie haben in den vergangenen Jahrzehnten viel persönliche Zeit in Ihr Engagement für die Stadt Colditz investiert und sich ganz besonders für die Belange „Ihrer Schule“ und „Ihrer Schüler“ eingesetzt. Es ist bedauerlich, dass dies bei Ihrem Ausscheiden aus dem Stadtrat nicht gebührend gewürdigt wurde.
    Von mir – und mit Sicherheit auch von vielen anderen – erhalten Sie dafür einen symbolischen schönen großen bunten Blumenstrauß.

  2. Annette Schellhorn
    Annette Schellhorn 30. Mai 2022 at 16:05 | | Antworten

    Mir wurde mal gesagt: “Erwarte keinen Dank.” Aber ein Dankeschön, Anerkennung und auch Wertschätzung sind doch Balsam für die Seele. Traurig wenn das Ausscheiden von Frau Schilde aus dem Stadtrat nach so langer Zeit mit anderthalb Zeilen im Tageblatt beiläufig mitgeteilt wird.
    Ihr Engagement, ihre Ideen und ihren Einsatz auch für die Sophienschule erlebe ich seit vielen Jahren. Dafür möchte ich persönlich Frau Schilde einmal DANKE sagen. Sie lebt für unsere Schule und auch für den Schulgarten, den es ohne Frau Schilde längst nicht mehr gäbe. Stets ist sie mit Herzblut dabei und ich wünsche mir, dass uns Frau Schilde noch einige Zeit zur Seite steht und uns unterstützt.

  3. Elena Werner
    Elena Werner 3. Juni 2022 at 11:49 | | Antworten

    Es erschreckt mich immer mehr, was in den öffentlichen Verwaltungen abläuft!
    Wenn Menschen wie Frau Schilde, die sich so lange Zeit engagiert haben und immer noch Ideen und Kraft in weitere Projekte einbringen wollen, sich entscheiden zu gehen, damit sie sich und ihren Mitmenschen noch in die Augen sehen können, dann läuft etwas mächtig schlief!!!
    Leider scheint fast keine öffentliche Verwaltung mehr im Sinne der Bürger zu handeln. Die Macher sind verschwunden oder werden mit Macht und mehr oder weniger unsanften Mitteln herausgedrängt. Es wird deutlich, dass die jetzigen “Verwalter” kaum Entscheidungen treffen (wollen), nur damit sie nach Außen einen guten Stand haben und ihren Status nicht verlieren. (((Vielleicht erfreuen Sie sich auch an ihrer Macht?))) Konsequenzen scheint es nicht zu geben und so wird die Macht größer und leider auch ausgenutzt.
    Ist diesen Leuten § 1 (2) SächsGemO entfallen? Ist ihnen auch nicht bewusst, wer sie bezahlt? Wie sieht es mit der Fürsorgepflicht der Arbeitgeber gegenüber aller seiner Angestellten aus?
    Räte und Bürger sollten sich mehr über Ablauf und Arbeitsweise Ihrer jeweiligen Verwaltung informieren. Gerade jetzt, wo Landrats- und einige Bürgermeisterwahlen anstehen. Sicher ist dies besonders schwer, wenn Jeder noch sein eigenes Leben hat und vielleicht auch beruflich viel gefordert ist. Auch wird es nicht immer einfach sein, “an die richtigen Informationen” zu kommen…
    Doch: Keinen Dank an Frau Schilde und ihre Arbeit, das sollte zu denken geben!

    PS: meine Plauderei aus dem Nähkästchen – selbst in einer Kommunalverwaltung beschäftigt, mit guten Kontakten zu anderen Verwaltungen

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