Stadtratsitzung – ein vorgezogener Aprilscherz?

Hausdorfer Komplex

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Die April-Stadtratsitzung fand diesmal schon am 30. März statt. Die etwas außergewöhnliche Zahl der Gäste hing mit der Bestätigung der Wehrleitungen unserer 4 Wehren zusammen. Doch alles der Reihe nach. In der Einwohnerfragestunde und in dem ähnlichen TOP (Bürgeranhörung zu Themen der Tagesordnung) meldete sich niemand. Zuerst stellte Kämmerer Jahn den Haushalt-Jahresabschluss 2016 vor. Er war nur auf einige wesentliche Teil gekürzt, das ganze Zahlenwerk hätte nicht nur Zeit geschluckt, sondern wäre auch für den Laien unverständlich gewesen. Er berichtete, dass das Rechnungsjahr mit einem Überschuss von 1.105.150 Euro abgeschlossen wurde, ein positives Ergebnis. Das basierte vor allem auf einem Steuerüberschuss von 424 T Euro, davon ein Überschuss in der Gewerbesteuer allein von 279 T Euro. So erfreulich dieses Ergebnis auch klingen mag, es hat es in sich, was gar nicht zur Sprache kam. Colditz hat mit 450 den höchsten Gewerbesteuersatz der gesamten Region und liegt weit über dem Bundesdurchschnitt (393). Das wirkt sich zum Schaden der Unternehmer aus und schreckt Investoren ab, sich hier in Colditz wie gern gewollt niederzulassen. Wir werden später noch einmal in einem gesonderten Bericht auf dieses Kapitel zurückkommen. Die Entschuldung der Stadt den Colditzer Gewerbetreibenden aufzubürden, dürfte keine gute Lösung sein. Man sollte mal nach dem Verursacherprinzip vorgehen. In einer der letzten Sitzungen wurde die vorgesehene Senkung mit der Begründung abgelehnt, dass dies durch den Verkauf der CWG hätte erreicht werden können, doch das ist ja vom Tisch… SR Wasner empfahl, die Eigendynamik des Wirtschaftsstandortes mit Unterstützung seitens der Stadt zu fördern und den im Haushalt dafür eingebrachten Part zu erhöhen. Das ließ sich auch mit dem neuen Projekt colditz 2.0 gut verknüpfen, das im TOP 10 vorgestellt wurde. SR Brandt empfahl, es unter einem anderen Namen fortzuführen. SR Heinz empfahl hingegen eine klare Aufgabenaufteilung und den Einsatz von Verantwortlichen. Dem widersprach SR Gruhle: lassen wir die Bürger mehr agierten; keine Einmischung der Stadträte. Zum Projekt selbst wurde die 1. Analyse durch BM Schmiedel vorgestellt. Er lobte die unerwartete Zahl derer, die die Fragebögen, teils anonym, teils mit Namen abgegeben hatten. Er verwies noch einmal darauf, dass diese Umfrage nicht repräsentativ sei. Eine Zahl, wieviel daran teilgenommen haben, erfuhren wir nicht, was die Bewertung etwas klarer möglich gemacht hätte. In einer Grafik wurden die verschiedensten Positionen dargestellt, die eingebracht worden waren, teils positiv, teils kritisch. Das erfüllt Sinn und Zweck dieser Umfrage; nun liegt es daran, sie auszuwerten und die Schlüsse zu ziehen, Änderungen zur Stadtentwicklung vorzunehmen. Am 6. April wird eine seperate öffentliche Versammlung stattfinden, wo das Projekt colditz 2.0 mit seinem aktuellen Stand vorgestellt werden soll. Wer Interesse daran hat, kann gern teilnehmen.
Danach fand die Zustimmung der künftigen Wehrleitungen unserer 4 FFWs durch die Stadträte statt. Alle wurden für ihre künftige Amtszeit bestätigt und mit Urkunde und einem Blumensträußchen beglückwünscht.
Der TOP um die Übernahme der Birkenallee durch den Staatsforst ging reibungslos vonstatten. Anders der Weg zum Waldbad. SR Völkel hatte schon einmal darauf hingewiesen, dass im Sommer bei schönem Wetter die Parkmöglichkeiten zum Waldbad derart gering sind, dass die Fahrzeuge so unmöglich abgestellt würden, was im Ernstfall das Durchkommen von Rettungsfahrzeugen total behindere. Nach Aussagen des BM seien aber eigentlich genügend Parkplätze am Campingplatz vorhanden, die nur von den Badegästen nicht genutzt würden, sie sind zu faul, dieses Stück zu laufen. Man werde aber über eine Erweiterung nachdenken.
TOP 18 und 19 betraf die Anschaffung von 2 Neufahrzeugen für den Bauhof. Hier meldete sich SR Wasner zu Wort und riet von einem Kauf ab. Um die in Kürze kommenden Reparaturen zu umgehen, sei es heute üblich, die Fahrzeuge zu leasen. Da kam es zu einer heftigen Debatte. BALin Rößner erklärte, sie habe sich erkundigt, eine Anschaffung auf Leasing wäre für die öffentliche Hand nicht machbar, das verbiete das Gesetz, dafür müsse das Kommunalamt zustimmen. SR Gumpert verteidigte den Kauf mit einer lustigen Erklärung: Die Bauhofmitarbeter seien stolz, wenn sie selbst nach vielen Jahren durch gute Pflege ihr Fahrzeug noch nutzen können. Na, hoffenlich haben die Fahrer übermorgen noch ihren Job! Dem Kauf wurde dann trotz Gegenstimmen zugestimmt.
Im TOP 20 ging es um die Erneuerung des Lastauer Spielplatzes. Das es gemacht werden soll, war nicht das Thema, doch wer den Auftrag dazu bekommt schon. Die Ausschreibung wäre korrekt gelaufen und geprüft worden, so BALin Rößner. Der von SRin Schilde und SR Heinz kritisierte Vorgang wurde wie immer “aus Datenschutzgründen” abgelehnt. SRin Schilde gab unmißverständlich zu verstehen, “sie habe das Gefühl, dass hier etwas geschoben wurde.” SR Heinz kündigte an, dies der Rechtsaufsichtsbehörde im LRA zuzuleiten. Das Ganze würde allerdings den Bautermin des Spielplatzes verzögern: SR Heinz brachte seine Erfahrung ins Spiel: wenn die das in 14 Tagen schaffen, mache ich einen Knix… Dadurch kam es zu der Entscheidung, dass der Beschluss zur Vergabe nur unter Vorbehalt gefasst werden konnte. Auch aus dem Publikum kam eine Info – wer befangen ist, sollte sich der Abstimmung enthalten! Der TOP 21 – Änderung des Pachtvertrages zum Schloss Podelwitz musste ausgesetzt werden. Der Entwurf müsse erst steuerrechtlich geprüft werden.
Das nächste Thema war die Vergabe eines Auftrages von 9 Projekten des GHIK. Als einziger Anbieter wurde ZAROF genannt. Da man mit ihnen gute Erfahrungen habe, würde man raten, dem zuzustimmen. SR Heinz warf ein, dass diese Projekte nur als “bedingt förderfähig” eingestuft worden wären. Vom HAL Kiesel kam die Antwort, dass dies stimme, man müsse in jedem Einzelfall erst ein schlüssiges Konzept vorlegen, bevor das Geld fließe. Heinz ergänzte, dass man diese Leute seitens der Stadt bei den Anträgen unterstützen sollte, denn unsere Bürokratie ist hart und für einen Laien kaum zu bewältigen. Trotzdem wurde dem TOP zugestimmt, der Auftrag für 22.848 Euro ging an die ZAROF GmbH. Hier eine Anmerkung: Diese Instituntion ist wahrlich kein unbeschriebenes Blatt in Colditz. Es ist nicht der 1. Auftrag, den sie erhalten. Doch es sind stets nur Studien und teuer bezahlte Ratschläge. Woran es seitens der Stadt allerdings stets fehlte, ist die Umsetzung. Der 1. Auftrag begann Anfang der 90er Jahre, kostete 25.000 DM – der Bericht verschwand für immer in der Schublade, umgesetzt wurde nichts.
Was noch viel mehr Staub aufwirbelte, war der im TOP 24 angekündigte Mietvertrag zum Objekt Bowlingbahn. SRin Dr. Müller verlangte, in den Mietvertrag einen Passus einzubauen, dass die monatliche Miete von 2.000 Euro nur zur Erhaltung des Objektes, nicht in die Kassen des Sportvereines fließen darf. Das löste derart heftige Kontroversen aus, die bis zum Vorwurf der Befangenheit von BM Schmeidel in dieser Angelegenheit gingen, was der dementierte. Die SRin kritisierte, dass man keinen Einblick in den Mietvertag habe, woraus erkennbar wäre, wie lange er überhaupt liefe und die Kosten des Umbaues zum Archiv könnten plötzlich dem Verein noch zugute kommen. Was wäre, wenn alles umgebaut ist und nach 3 Jahren der Pachtvertrag gekündigt wird? SR Brandt wiederholte seine Gespräche mit dem Landesarchivar nochmals, der darauf hingewiesen hatte, dass 90 – 95 % des Bestandes entsorgt werden könnten und damit der Neubau eines Archives zwecklos wäre. Dieser Vorschlag wurde wieder mit viel Geschrei abgetakelt und mit Fragen des BM hinterlegt, wer sich denn wo hinstellen solle, um das Archivgut auszusortieren? SR Till konterte mit einer Gegenfrage an ihn: Wenn Ihre Garage vollgemüllt ist, räumen Sie da mal auf oder bauen Sie sich eine neue? Hier würden Gelder für einen unnützen Bau verschwendet. Im Raum stand auch der Vorwurf der SRin Dr. Müller, dass der Verein doch noch immer mit einem Kredit von 160 T Euro belastet sei und kurz vor der Insolvenz stand. Wird hier deshalb so ein Druck gemacht. Schmiedel versuchte sich zu verteidigen und sagte, dass Eine habe mit dem Anderen gar nichts zu tun. Vor dem geplanten Umbau hätten die Pächter mehrmals gewechselt, jetzt ist plötzlich ein neuer da – geht doch. SR Schröpfer, eigentlich ein Befangener ergänzte, hier würden nur Unwahrheiten erzählt… SR Ulbricht bemängelte, dass man sich nun schon 1 Jahr um dieses Objekt streite, es müsse endlich ein Ende der Debatte her. Das schätze ich als richtig ein, doch er ist ein Insider, der 1996 bei der Festlegung für den Bau der Bowlingbahn im Gemeinderat mit dabei war. Zur Aufklärung, um die Streitereien zu beenden, hat er allerdings bis jetzt nichts beigetragen. SRin Dr. Müller forderte nochmals die Einrichtung eines Sonderkontos für die Mieten, um eine zweckentfremdete Nutzung der Mieten zu verhindern.
Im TOP 25 ging es um die Auftragsvergabe zur Anfertigung von Imagefilmen im Rahmen von colditz 2.0. SR Heinz kritisierte, dass überhaupt noch kein Stadtentwicklungskonzept vorliege, aber schon Filme gedreht werden. Man solle das alles vorher mit dem Produzenten abstimmen, was diese Imagefilme inhaltlich enthalten sollen. BM Schmiedel war der Meinung, dass die Colditzer damit angeregte werden sollten, am Projekt mitzuarbeiten. BALin Rößner flocht ein, dass die Stadtsanierungsziele ja erst definiert werden müssen, da sei noch gar nicht passiert, Wohnungsleerstand, Interessenlosigkeit der Einwohner… Eine konkrete Weiterführung wurde nun erst einmal auf die öffentliche Versammlung zur Vorstellung der Befragung colditz 2.0 verschoben.
In der SR-Fragestunde kam noch einmal das Kapitel Mietvertrag Schloss Podelwitz zur Sprache. SRin Dr. Müller nannte ihr Unverständnis über die finanzielle Unterstützung durch die Stadt (sie nannte die Zahlen der bis jetzt geflossenen Gelder und der gemachten Zugeständnisse an das Weinhaus Till). Es stünde alles in keinerlei Balance mit dem bei uns üblichen Mietspiegel. Warum machen wir hier solche Geschenke? Der TOP wurde bis auf Weiteres vertagt.
Angesporchen wurde auch kurz der Stand zum Breitbandausbau der Stadt durch die Telekom. Sie hätten zugesagt, so HAL Kiesel, in den nächsten 3 Jahren Colditz zu versorgen. Wie alles ablaufen würde und wann es losgeht, ist nicht bekannt. BM Schmiedel kritisierte, dass es nicht Sache der Stadt sei, überall Leerrohre zu verlegen. Dies sei doch Sache der Telekom. Dieser große Konzern nutzt aber sichtlich die berühmte Lobby im Bundestag, um zuzuschlagen, wenn Fördergelder verteilt werden. Dass sie dort nur an die Umsetzung gehen, wo es sich wirtschaftlich rechnet, ist ebenso bekannt. Der Rest muss sehen, wie er kommt. Auf die Stadt käme dann extra noch eine gewaltiger Eigenanteil draufzu.
Die Stadtratsitzung – wäre sie 2 Tage später erfolgt, hätte man sicher geglaubt, dieser Bericht sei ein Aprilscherz.

spiegel

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