Auftakt des Terrors

Besucher der Ausstellung "Auftakt des Terrors" im Schloss Colditz

Besucher der Ausstellung “Auftakt des Terrors” im Schloss Colditz

Dr_Christian Striefler (SSV) sprach einleitende Worte zu der neuen Ausstellung

Dr_Christian Striefler (SSV) sprach einleitende Worte zu der neuen Ausstellung

Dr. KLaus-Dieter Müller bei seinem Geschichtsvortrag

Dr. KLaus-Dieter Müller bei seinem Geschichtsvortrag

Karte der vorläufigen KZs in Sachsen (Ausschnitt)

Karte der vorläufigen KZs in Sachsen (Ausschnitt)

Einer der Auslöser des Systemwechsels in Deutschland - die Weltwirtschaftskrise 1929

Einer der Auslöser des Systemwechsels in Deutschland – die Weltwirtschaftskrise 1929

Die ersten Auswirkungen nach der Machtübernahme 1933

Die ersten Auswirkungen nach der Machtübernahme 1933

Gewalt kennt keine Grenzen...

Gewalt kennt keine Grenzen…

Zeugnisse der Arbeit in den Lagern

Zeugnisse der Arbeit in den Lagern

Das KZ im nahegelegenen Schloss Sachsenburg

Das KZ im nahegelegenen Schloss Sachsenburg

Kurzbericht des Colditzer KZ-Lagers

Kurzbericht des Colditzer KZ-Lagers

Der einzige erhaltene Beleg über einen Insassen im KZ Colditz

Der einzige erhaltene Beleg über einen Insassen im KZ Colditz

Ein im SC gefundener Dachschiefer mit Inschrift

Ein im SC gefundener Dachschiefer mit Inschrift

Die eingekratzte Schrift übersetzt

Die eingekratzte Schrift übersetzt

Am gestrigen Samstag fand in der Schlosskirche die Eröffnung einer neuen Ausstellung im Schloss Colditz über ein in den Jahren 1933/34 von den Nazis einge- richtetes und betriebenes Konzentrationslager statt. Ca. 30 Besucher, vor allem ältere, waren gekommen, um sich diese Ausstellung anzusehen.
Dr. Christian Striefler (SSV) hielt die einleitende Rede und machte die Besucher darauf aufmerksam, dass Schloss Colditz ein geschichts- trächtiger Ort ist. Schon seit dem Mittelalter spielte er in Sachsen eine bedeutende Rolle, aber auch später geriet er nicht aus dem historischen Blickfeld. Zur Gegenüber- stellung von früher zu heute gehören Erinnerungen vor allem an das Verschwundene. Im Hintergrund mit der Eröffnung dieser Ausstellung, die demnächst an andere Orte wandern wird, ist es sehr kompliziert, Beweisstücke zu finden. Zur besten Möglich- keit, einem Interessierten so etwas überzeugend darzustellen, gehören Belege. In diesem Fall ist dies äußerst schwierig, diese wurden kaum gesammelt und eine Befragung Betroffener ist gar nicht mehr möglich. Sie gehören zu einer Generation, deren Geburtsjahr um etwa 1913 gelegen hat. Sie weilen heute nicht mehr unter uns. Dann übernahm Dr. Klaus-Dieter Müller das Wort. Anhand von an die Leinwand projezierten Bildern erklärte er den Besuchern, welcher Weg überhaupt zum Aufstieg von Adolf Hitler führte – aus der Weimarer Republik wurde über viele kleine Schritte ein Terrorregime mit katastro- phalen Auswirkungen, an den wir noch heute zu leiden haben. Stück für Stück wurden Gesetze außer Kraft gesetzt, völlig neue beschlos- sen und über diese Schiene das Parlament systematisch außer Funktion gestellt. Um jegliche Gegner schnell kalt zu stellen, richteten die Nazis im Eiltempo die Vorläfer der später viel bekannter gewordenen KZs ein. Was später belegt wurde war das Umgehen miteinander. Die Wärter kannten sich unter- einander und es sei nicht selten vorgekommen, dass ein Nachbar oder Bekannter unter verläumdenden Argumenten in ein solches Lager geschickt wurde, um seinen Hass gegen den Nachbarn ausüben zu können. Suizid als Auswir- kung der Betroffenen war keine Seltenheit unter den Inhaftierten.
Vom KZ Colditz im Schloss wurden bisher nur 2 Relikte gefunden. Ein Schreiben über einen Häftling und ein zufälliger Fund bei Dachdeckerarbeiten am Schlossdach. Regina Thiede ließ den Text entschlüsseln. Die Hoffnung, irgendwo noch weitere Belege dieser Zeit zu entdecken, sehen die an der Ausstellung beteiligten Personen sehr gering.
Zurück zum geschichtlichen:
Eine der auslösenden Argumente, die Hitler in seinem Machtanspruch halfen, war die weltweit grasierende Wirtschaftskrise von 1929. Allein in Deutschland waren rund 6 Mio Menschen von der Arbeitslosigkeit betroffen. Die Preise für vor allem Lebensmittel wuchsen exorbitant, jede Woche wurden neue Geldscheine gedruckt,; aus Zehn wurden schnell Hundert, Tausend … und zum Schluss bis zu einer Billion – aber völlig wertloses Geld, denn es war nicht durch Wirtschaftlichkeit gedeckt. Es ist verständlich, ob ich in der Rüstungsindustrie oder einem keramischen Betrieb Arbeit fand, hauptsache ich kann mir wieder ein Brot kaufen. Dass dieses durch “Kredite” in Umlauf gebrachte Kapital ingendwie zurückgezahlt werden muss, war jedem Wirtschaftswissenschaftler klar. Am Ende mündete es im 2. Weltkrieg mit Millonen Toten und Reparations- zahlungen, die am härtesten Ostdeutschland, die spätere DDR, betrafen. Jegliche noch vorhandene Technik wurde aus den Betrieben abgebaut, gen UdSSR transportiert; hier musste man bei “Null” anfangen.
Vielleicht ist der Vergleich von den gestrigen Erfahrungen zu den heutigen Ereignissen gerade in den neuen Bundesländern für die ältere Generation prägend für ihr Handeln. So wie die täglichen Lebenshaltungskosten für Nahrungsmittel, Mieten, Gesundheit etc. explodieren, halten die Einkommen nicht mit. Bundeskanzler Scholz nannte es im vergangenen Jahr eine “Zeitenwende”, die wir gerade durchmachen. Aber ein Ende ist nicht in Aussicht. Die täglich veröffentlichten Zahlen sprechen Bände; vor wenigen Jahren war für die Bürger eine Million eine unvorstellbare Zahl. Heute spricht man nur noch über Milliarden. Das Wirtschaftswachstum kommt zum Stehen. Die über Jahrzehnte praktizierte Wirtschafts- politik, dort weltweit produzieren zu lassen, wo es am billigsten ist, auch wissentlich unter den unmenschlichsten Bedingungen, machen die Billiglohnländer nicht mehr mit. Die Weltwirtschaft strukturiert sich völlig neu, die Zusammenarbeit zwischen Ländern wie China, Indien, Südamerika und Afrika ordnet sich neu. Dass es aber nicht nur Deutschland treffen kann, zeigen die Ereignisse in den USA vor wenigen Tagen. Hätte der Senat nicht einer weiteren Anhebung der Schuldenhöhe im Haushalt zugestimmt, hätte die USA mit weltweiten Folgen Insolvenz anmelden müssen.
Allein aus diesem Grund erhalten die geschichtlichen Nachforschungen zum Thema “Auftakt des Terrors” eine neue Bewertung. Fast nach 100 Jahren stehen wir vor sehr ähnlichen Fakten, die uns zum Nachdenken anregen sollten. Aus Fehlern der Geschichte sollte man lernen; so etwas dürfe sich nicht wiederholen. Geschichte wird sich nicht 1:1 wiederspiegeln, sie verändert ihr Gesicht; die Zeit schreitet allein durch die Industrialisierung weltweit fort. Neue Begriffe wie “künstliche Intelligenz” stehen derzeit ganz vorn. Doch alle technischen Entwicklungen hatten bisher einen erwünschten Nutzen, doch nicht selten lösten sie auch durch Dritte einen erheblichen Schaden aus. Wir sind schon weltweit vernetzt, doch verlieren wir hierduch auch unsere Persönlichkeit? Der sich gerade in Colditz gezeigte Alltag sieht etwas anders aus, als von zivilisierten Bürgern gewünscht. “Wegschauen” ist aber auf keinen Fall eine Lösung!
Doch es gibt auch eine andere Erfahrungsseite dieser Tatsachen: Erhard Helbig sagte einmal “Gegen ein Fuder Mist kannst du nicht allein anstinken!”
Wenn auch die Ausstellung nicht riesig ist, so sollte man sie sich anschauen und seine Gedanken über ein unrühmliches Kapitel der Colditzer Schlossgeschichte erfahren, auch wenn man nicht gern darüber spricht.

spiegel

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