Colditz – wo geht die Reise hin?

Colditz 4.0 - ein Blick in die Zukunft

Colditz 4.0 – ein Blick in die Zukunft

Prof. Dr. Jutta Rump

Prof. Dr. Jutta Rump

C4_111S_XFür den gestrigen Abend hatten Stadt Colditz und BSW Muldental zu einem Wirtschafts- forum in die Landesmusikakademie im Schloss Colditz eingeladen. Die Fragen; wie geht es künftig weiter; wie können wir die Entwicklung unserer Region bewältigen; was für Chancen hat unsere Stadt, uns in die moderne Arbeitswelt positiv zu integrieren? All diese Fragen werden auch uns in den nächsten Jahren belasten, uns daraus ausklammern, können wir nicht. Eingeladen waren auch Vertreter der IHK, Handwerks- kammer, Arbeitsagentur, Wirtschaft und der Landrat Henry Graichen. Bürgermeister Robert Zillmann machte nur eine kurze Begrüßung, übergab schnell das Wort an die Moderatorin Kathrin Rieger (ZAROF), die es ebenfalls an die renomierte Wirtschafts-Professorin der HS Ludwigshafen, Dr. Jutta Rump, weiterreichte. Den über 70 Gästen zeigte diese anhand von Grafiken und dazu Kommentaren, was in den nächsten Jahren auf uns zukommen wird, worin die Schwerpunkte der Bewältigung liegen und welche Chancen bestehen, all das zu schaffen. Das Hauptproblem in Ost und West ist die demografische Entwicklung und der damit verbundene Schwund an Fachkräften. Dr. J. Rump verknüpfte viele anstehende Probleme mit Erfahrungen aus der eigenen Familie; manches ist nicht neu. Auch in ihrer Jugend hatte sie manche Idee, die zu Hause nicht gerade bei den Eltern auf offene Ohren stießen. Oma versuchte es zu glätten, riet, man solle doch der Jugend den Spielraum lassen; dieser Rat war richtig. Wir sind heute viele Schritte weiter. Gerade der Fachkräftemangel, egal ob in der Industrie, den öffentlichen Aufgaben oder dem Handwerk wird eines unserer Hauptprobleme werden. Heute stehen aber nicht nur der Wunsch von Interessenten darin, einen Jobzu bekommen, sondern sie selbst stellen Anforderungen, dass er gern ausgeübt, gut bezahlt und mit dem Familienleben in Einklang gebracht werden muss. Die frühere Art, die körperlich schwereren Arbeiten den jungen Kollegen zu überlassen, die älteren zu schonen, ist vorbei. Den Einzug der Digitalisierung sollte man auch nicht nur negativ bewerten. Sie eröffnet uns völlig neue Perspektiven, die wir nutzen können. Ein gutes Klima im Betrieb, die Aus- und Weiterbildung, sind Voraussetzungen, dass ein langjähriges Fortbestehen gewährleistet werden kann. Dennoch warnte sie davor, dass man als Chef nicht das Zepter völlig aus der Hand geben darf; die Wirtschaftlichkeit eines jeden Unternehmens muss im Blickfeld behalten werden. Es sollte zu einer strategischen Allianz kommen.
Landrat H. Graichen, die Vertreterinnen des Job-Centers und  der Agentur für Arbeit

Landrat H. Graichen, die Vertreterinnen des Job-Centers und der Agentur für Arbeit

A. Paul - anona und C. Weiß

A. Paul – anona und C. Weiß

BM R. Zillmann

BM R. Zillmann

Danach nahmen die Vertreter ihre Plätze an der langen Tafel ein; die Podiumsdiskussion konnte beginnen. Als Erster ergriff LR Graichen das Wort. Ein wichtiger Punkt nicht nur speziell für die Stadt Colditz ist der Ausbau des Öffentlichen Personen- nahverkehrs (ÖVPN). Es muss gewährleistet sein, dass ein zuverlässiger Verkehr zwischen unserer Region und Leipzig besteht, sowohl für in Leipzig arbeitende oder aus dem Raum nach Colditz kommende. Gerade dort habe man in letzter Zeit positive Fortschritte gemacht. Die Agentur für Arbeit und das Kommunale Jobcenter pflichteten der Förderung des ÖPVN bei, es sei ein wichtiger Faktor. Die derzeit in beiden Landkreisen bestehende Quote von Langzeitarbeitslosen, ca. 3500 trotz ca. 4000 unbesetzten Stellen, könne nur abgebaut werden, wenn dies funktioniere; alles ist miteinander verzahnt. Claudia Dietze lobte die gute Zusammenarbeit zwischen Jobcenter und LRA; es gäbe reichlich Möglichkeiten, der Umschulung und Weiterbildung. A. Paul, Vertreter des derzeit größten Arbeitgeber der Stadt Colditz, anona, bestätigte, dass sich generell die Art der Einstellungsgespräche geändert habe. Es geht nicht mehr nur darum, ob die Stelle frei ist, sondern auch das Umfeld, möglicher Karriereweg, Familie, Kinder (KiGa und Schule) muss abgeklärt werden. Das Gesamtkonzept muss stimmen – bis hin zu den Kulturangeboten. Ohne Zuwanderungsintegration ist es aber nicht zu erreichen. Das wurde früher überhaupt nicht beachtet. Da meldete sich BM Zillmann zu Wort: Genau an diesem langfristig, bis 2030 angelegten Konzept der Stadtentwicklung arbeite man. Die Stadt will es auch schnellstens auf den Weg bringen, um mit der Umsetzung beginnen zu können.
V. Lux (HWK) und Dr. G. Ziener (IHK)

V. Lux (HWK) und Dr. G. Ziener (IHK)

IHK und HWK hatten aber keine konkreten Vorschläge, wie die Stadtentwicklung in Colditz voran gebracht werden könnte. Man habe auch in punkto Messen und dergl. einige Dinge geändert, um den Fachkräftenachwuchs zu stärken, doch hier klafft noch ein großes Loch. Die strategische Personalentwicklung, die Frau Dr. Rump ansprach, ist bei uns im Moment nicht möglich; im Gegenteil, Fluktuation und Konkurenz sind an der Tagesordnung. Volker Lux (HWK) ergänzte, dass die Digitalisierung zwar wichtig ist, “doch eine Drohne wird keinen Heizkörper in den 4. Stock schleppen…”.
Sehr interessiert war man auch auf die Fragen aus dem Publikum, doch nur Herr Eismann tat dies: Er machte darauf aufmerksam, dass man die Prioritätenlisten in Colditz grundlegend ändern müsse. Gut ausgebildete Leute, die wir suchen, finden zwar unsere Gegend herrlich, doch das Angebot im gesamten Umfeld ist keineswegs einladend. Hier solle attraktiver Wohnraum mit einem entsprechenden Angebot an Schule, Sport und Kultur geschaffen, öffentliche Gelder dafür eingesetzt werden. Leerstand haben wir doch genug!
LR Graichen bejahte meine im Anschluss gestellten Feststellungen, dass vor allem das Umfeld in Colditz ein großes Hindernis ist. “Man solle vor allem auch gerade Dinge der Kultur und des Sportes versuchen am Leben zu erhalten, auch wenn es manchmal schwierig ist. Eine Wiederbelebung nach Schließung ist viel aufwendiger und schwieriger.”
Zusammengefasst: Der Abend war ein gelungener Auftakt zu einer Reihe wichtiger Gesprächsrunden, eine Fortführung ist dringend notwendig. Frau Dr. Rump schätzte allein die Lage und das schlummernde Kapital in Colditz als enorm ein: im Schloss stehen so viele Räume leer. Hier könnten doch Institute usw, untergebracht werden, dafür haben wir im Westen kaum noch Platz. Doch dazu muss das Umfeld passen und das zu schaffen, wird eine der Kernaufgaben der nächsten Jahre…”.

spiegel

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