Wohlfühl-Stammtisch in Colditz

Vor rund 2 Jahren überrollte ganz Europa eine riesige Flüchtlingswelle. Auch die Stadt Colditz musste einige Asylsuchende aufnehmen. Auf der Stadtseite finden Sie aber nur die aktuelle Zahl, derzeit 109 mit Anmerkung, dass sie dezentral untergebracht sind. Aber was geschieht mit ihnen, wer kümmert sich um sie?
Dafür engagieren sich nun schon seit 2 Jahren ehrenamtliche Helfer aus der Stadt und ihren Ortsteilen und der Kirche. Die Arbeit, die in diesen Monaten zu bewältigen war, ist kaum bezifferbar. Die Neuankömmlinge verfügten weder über Sprachkenntnisse, Fahrzeuge, um zu den Behörden zu gelangen und den Dschungel an Formalitäten, die erledigt werden mussten. Da ist es mehr als dienlich, wenn man von hiesigen Leuten Hilfe bekommt. All diese Vorgänge sind aber längst noch nicht abgeschlossen, wenn auch eine gewisse Ruhe in die Behördengänge eingezogen ist. Nun läuft die 2. Phase, die Integration der Migranten. Wie die ferne Zukunft für die Migranten aussieht, ist heute noch nicht zu beantworten, denn sie kommen weder aus ein und dem selben Land, sprechen verschiedene Sprachen und entstammen den unterschiedlichsten Kulturen und Religionen. All das auf einen Nenner zu bringen, ist schwierig. Einige von ihnen haben noch gar keine gültigen Papiere, andere nur einen Duldungsstatus. Das heißt, wenn der Krieg in ihrem Herkunftsland beendet ist, sollten sie wieder zurück in ihre Heimat. Diese Situation hatten wir vor Jahren schon mit dem Kosovo-Krieg. Da es bis heute kein Zeitfenster gibt, wann das wo erfolgen wird, ist eine konkrete Planung gar nicht möglich. So ist es verständlich, dass hier eine Initiative gestartet wurde, diese Flüchtlinge alle in unsere Gesellschaft zu integrieren. Am allerwichtigsten ist, dass sie die deutsche Sprache erlernen, um sich hier verständlich zu machen. Dafür ist vor allem bei den Kindern ein erfolgreicher Schritt gemacht worden. In Deutschland herrscht Schulpflicht. Zugute kommt uns, dass das Verhältnis der deutschen zu den ausländischen Kindern nicht so extrem auseinanderklafft, wie in den Großstädten. Eines unserer Emigrantenkinder, der fleißige Schüler Ali, hat nach einem Jahr derart gute Leistungen gebracht, dass er nun zum Gymnasium nach Hartha versetzt werden konnte. Die Migranten müssen sich aber nach und nach unseren Gepflogenheiten anpassen. In der muslimischen Familienpolitik sind die Rollen zwischen Mann und Frau anders üblich, von einer Gleichstellung von Mann und Frau haben sie keine Vorstellung. Deshalb hat sich eine junge Marokkanerin, selbst Flüchtling; bereit erklärt, ihre schon guten Deutschkenntnisse an die Frauen weiter zu geben. Das würde den Schritt einfacher machen, als einen deutschen Lehrer einzusetzen. Die Willkommens-Arbeitsgruppe will auch ein Projekt starten, worin die Migranten verpflichtet werden, an Seminaren teilzunehmen, wo ihnen das deutsche Recht dagelegt wird, an das auch sie sich hier während ihres Aufenthaltes in Deutschland zu halten haben. Parallel dazu sollte versucht werden, sie in die Vereine zu integrieren, sowohl im Sport, als auch in kultureller Arbeit. So können Mißverständnisse und Vorurteile viel eher abgebaut werden. Der 11jährige Benjamin kickt schon auf dem Sportplatz und spielt auch Tennis. Sein afghanischer junger Freund spielt bei Medizin Zschadraß. Bürokratische Hürden gibt es dennoch nach wie vor. Wer, wie die Afghanen nur einen Duldungsstatus hat, darf in kein Arbeitsverhältnis eingestellt werden – absurd. Ich möchte gern arbeiten, nicht auf Kosten Anderer hier leben, darf es aber nicht. Hier sollte die große Politik Änderungen herbeiführen.
Eine andere Schnittstelle in Colditz ist die Kleiderkammer in der Badergasse. Erfreulicher Weise gibt es Colditzer, die gern Dinge, die sie selbst nicht mehr brauchen, zur Verteilung dort abgeben. Hier sei aber darauf hingewiesen – die Kleiderkammer ist nicht nur für Flüchtlinge gedacht, auch jeder einheimische Colditzer kann sie bei Bedarf nutzen. Die Wohlfühl-Arbeitsgruppe hat sich auch ein nächstes Ziel gesetzt – Schaffung eines Wohlfühl-Kaffees in Zentrumsnähe. Es soll dazu dienen, dass sich Migranten und Einheimische auch mal bei einem Tässchen Kaffee ungezwungen unterhalten und damit näher kommen können. Wünschenwert wäre, wenn es einen Platz fände, wo man in der schönen Jahreszeit auch vor dem Kaffee ein paar Sitzgelegenheiten aufbauen kann, die für eine lockere Atmosphäre sorgen. Nun wird emsig gekurbelt, um ein geeignetes Plätzchen zu finden.
Aktuell stehen 2 Termine an, woran sich auch Migranten beteiligen könnten. Das wäre am kommenden Samstag ein Tag der Offenen Tür bei anona. Hier könnten sie mal schnuppern, so die Argumentation des Wohlfühl-Stammtisches, wie es in Colditzer Betrieben aussieht. Der nächste ist der am 3. Oktober stattfindende Stundenlauf. Nun wollen sie versuchen, dass sich dazu auch aus den Reihen der jungen Migranten 1, 2 Teams zusammenstellen lassen, die daran teilnehmen.
Sie sehen, im Stillen wird hier ehrenamtlich eifrig gearbeitet, die Integration von Migranten zu unterstützen. Die Tätigkeit ist sehr aufwendig, doch jene, die sich bisher dafür bereiterklärt haben, zu helfen, freuen sich über das bisher Erreichte. So würden sie sich noch mehr freuen, wenn sich weitere Mitstreiter finden, diese Arbeit zu unterstützen.

spiegel

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