Colditz – Holocaust-Gedenktag 2020

Heute jährt sich zum 75. Mal die Befreiung des berüchtigsten KZ´s in Auschwitz. Jener Tag wurde zum internationalen Gedenktag erklärt. Wir Colditzer wohnen weit weg von jenem traurigen Ort, doch seine Schatten fielen auch auf Colditz. Als 1944 die Rote Armee immer weiter nach Deutschland vorrückte, sahen sich die Nazis gezwungen, ihre Produktion an Waffen und Ausrüstung mehr in die “sichere Heimat” zu verlagern.

Krematorium im KZ Buchenwald

Krematorium im KZ Buchenwald

Reste der ehemaligen HASAG in Colditz

Reste der ehemaligen HASAG in Colditz

Der einstige Schlafsaal der Zwangsarbeiter

Der einstige Schlafsaal der Zwangsarbeiter

Häftlinge im KH Borna (o.re.-Rubin, u.mi. - Wilhelm Samelson)

Häftlinge im KH Borna (o.re.-Rubin, u.mi. – Wilhelm Samelson)

Kunstprojekt "ein Schmetterling für jedes getötete Kind" im SC

Kunstprojekt “ein Schmetterling für jedes getötete Kind” im SC

Zur Verrichtung der Arbeit wurden Häftlinge aus den KZ´s benötigt; die arbeitsfähigen Deutschen waren fast alle an der Front. So wurde 1944 im Südflügel der damaligen “Aktie” eine Außenstelle des KZ Buchenwald eingerichtet. Hier sollten für die HASAG Teile für Panzerfäuste produziert werden. Von all dem sieht man heute fast nichts mehr. Die älteren Colditzer, die jene bittere Zeit des 2. Weltkrieges miterlebt haben, schwiegen viele Jahre, wenige von ihnen leben heute noch. So entstanden große Lücken in der Geschichtsaufarbeitung. Im Februar 1945 wurde das Nebenlager Colditz evakuiert; die Häftlinge machten sich auf den “Todesmarsch” über Hausdorf, Freiberg nach Theresienstadt. Viele von ihnen kamen nicht einmal dort lebend an. Ein paar der zurückgelassenen Häftlinge hatten sich schnell in Brennöfen versteckt, wurden aber von den Wachmannschaften entdeckt. 6 von ihnen erschoss die SS im Möselner Grund, die anderen konnten kurz darauf von den Amerikanern aufgegriffen und versorgt werden. Unter den letzteren waren auch die Brüder Rubin und Wilhelm (Häftlings.Nr. 114660) Samelson. Sie kamen zur medizinischen Versorgung in das KH Borna. Später wanderten sie nach den USA aus. Jene grausame Zeit haben sie nie vergessen. Rubin Samelson startete ein weltweites Kunstprojekt “wider des Vergessens”. Für jedes der von den Nazis ermordeten Kinder bastelten heute Kinder einen Schmetterling. Im Juni 2013 weilte eine Gruppe Studenten der Uni Houston (Texas) mit Prof. Hans Molzberger im Schloss Colditz, dieses Projekt hier fortzusetzen. Molzberger hatte Rubin persönlich kennengelernt. Die feierliche Eröffnungsveranstaltung am 2.6. fiel allerdings regelrecht “in´s Wasser”. Ausgerechnet an jenem Tag erreichte die Mulde fast den Höchststand des letzten Hochwassers; die Studentengruppe musste per Umweg über Leisnig sehen, dass sie noch den Rückflug in die USA aus Leipzig schaffte. Rubin konnte persönlich nicht mehr an dieser Gedenkfeier teilnehmen; er war kurz zuvor verstorben.
Henry Golde (li.) nach dem Krieg in den USA

Henry Golde (li.) nach dem Krieg in den USA

Jüdische Gedenkstätte an der Colditz Friedhofsmauer

Jüdische Gedenkstätte an der Colditz Friedhofsmauer

Kranzniederlegung

Kranzniederlegung


Ein weiterer Häftling, der sogar den Todesmarsch nach Theresienstadt überlebt hatte, war Henryk Golde (Hä.-Nr.113351). 1929 in Polen geboren durchlief er schon als 16-jähriger mehrere KZ´s; im Januar 1945 Buchenwald. Von da aus geriet er mit einem Sammeltransport zur Zwangsarbeit der HASAG nach Colditz. Auch er hat jene unrühmliche Zeit seiner Jugend nicht vergessen. Im November vergangenen Jahres erhielt ich aus den USA die Nachricht, dass Tage zuvor Henry Golde im Alter von 90 Jahren verstorben ist. Ein Zeitungsartikel in der THE POST-CRESCENT (Wisconsin) schildert sein Wirken in den USA, die bitteren Erfahrungen jener Zeit als Mahnung an die Jugend weiter zu geben. Er hielt in vielen Schulen unzählige Vorträge über Brutalität und Grausamkeit. Er glaubte, dass sich die Geschichte wiederholt und er wollte Vorurteile und Bigotterie mit einer Botschaft der gegenseitigen Liebe ausräumen. (PC): Als polnischer Junge im Alter von 11 Jahren überlebte Golde die Todesmärsche, das Verhungern und die Zwangsarbeit durch Nazis, Er war Zeuge des brutalen Mordens seiner Mitjuden. “ich wurde 5 Jahre lang in 9 verschiedenen KZs gefangen gehalten, 6 Lager in Polen, 2 in Deutschland und 1 in der Tschechoslowakei. Diese Lager galten als die schlimmsten Gefängnisse, die die Welt je gesehen hat”, so Golde. “Ich sprechen mit Schülern in der Schule und erzähle ihnen meine Geschichte, nicht weil ich möchte, dass sie Mitleid mit mir oder den Menschen haben, die gestorben sind. Ich erzähle meine Geschichte, um zu veranschaulichen, was ein Mensch einem anderen antun kann.”Sein Ziel: “Wenn ich ein Kind vor dem Hass retten kann, lohnt sich mein Einsatz.”
Hoffentlich bewahrheitet sich seine Hypothese nicht – Geschichte wiederholt sich.

spiegel

Kommentar eintragen

Hauptmenü