Colditzer Kantorei im Asyl

Können Sie sich noch an den Anfang der Reformation vor über 500 Jahren erinnern? Martin Luther nagelte seine 95 Thesen an die Pforte der Schlosskirche Wittenberg. Einen ähnlichen Eindruck gewann man seit vergangenem Donnerstag auf dem Colditzer Friedhof. Hier ist es nur eine Meinungsäußerung zu einem kürzlich neu verfassten Statut der Colditzer Kantorei. Die Erarbeitung dauerte schon über 1 Jahr; dazu beitragen mussten Pfarrer(in), Kirchenvorstand und Kantorei. Dass nicht immer sofort Einigkeit in allen Punkten erreicht werden kann, sollte man als normal betrachten. Doch dazu dienen die Gespräche, die alle Meinungen anhören, respektieren und am Ende eine für alle Seiten erträgliche Lösung finden sollten. Doch dazu kam es in der ev. Kirche Colditz offenbar nicht. Die den in Ruhestand gegangenen Kantor Robert Koch ablösende Cornelia Schneider gab nur ein kurzes Gastspiel, wechselte schnell ihre Anstellung, was vielen Kirchgängern zu denken gab. Das neue Statut wurde in den vorletzten Kirchennachrichten veröffentlicht. Im Punkt 6 heißt es: “Die Leitung der Kantorei obliegt der Chorleiterin / dem Chorleiter. Er / sie legt in Abstimmung mit der Pfarrerin / dem Pfarrer fest, wann, wo und was gesungen wird… Er (Red.: der aufgestellte Jahresplan) ist verbindlich für die Chormitglieder und den Kirchenvorstand.” Im Punkt 10 steht: “Wer gegen das Statut verstößt, kann durch den Kirchenvorstand aus der Kantorei ausgeschlossen werden.” Die Erarbeitung eines Statutes wurde von Anfang an von der überwiegenden Mehrheit der Kantorei-Mitglieder abgelehnt.
Hinsichtlich der bestehenden Zwistigkeiten hat die Kantorei sich entschieden, ihre Proben und Auftritte nicht mehr in Colditz durchzuführen, sondern fand in der Nachbarkirche Schönbach “Asyl”. Dort wurden sie herzlich aufgenommen und bereichern nun deren Gottesdienste.
Man könnte einfach sagen: na, das soll´n die doch untereinander klär´n; das geht uns doch nischt an… Hier sei aber anzumerken: Die Colditzer Kantorei ist der älteste Kirchenchor Sachsens, kann auf über 430 Jahre zurückblicken. Sollte es nicht gelingen, die internen Streitigkeiten friedlich aus der Welt zu schaffen, könnte es im schlimmsten Fall zur Auflösung der Kantorei führen. Da würde ein wertvolles Stück Colditzer und überregionaler Kulturgeschichte vernichtet, das sicher nicht wieder reparabel wäre. Lassen Sie uns hoffen, dass es dazu nicht kommt.