Gehört Mobbing heute zum Alltag?

Mobbing – ein Wort das zwar ein Jeder versteht, wofür es derzeit noch keine medizische-wissenschaftliche Erklärung gibt, die auch juristisch anerkannt und verwertbar ist. Zahlreiche Prozesse liefen in´s Leere, weil die juristische Handhabung schwierig war. 2007 hat das Bundesarbeitsgericht den Strich darunter gezogen – der Begriff Mobbing wird vor Gericht nicht mehr anerkannt, sondern lt. 8 AZR 709/06 heißt es nun “Rechtswidriges Gesamtverhalten”.

...soweit ist es am Arbeitsplatz noch nicht wieder

…soweit ist es am Arbeitsplatz noch nicht wieder

Eine der wenigen Büros in Sachsen, die Betroffenen Unterstützung gewähren, ist das der GEW unterstehende in Bautzen. Rd. 25 Jahre hat sich Annegret Grothkopp. eine ausgebildete Kranken- schwester mit einem absolvierten Sozialarbeits- studium, das nochmals mit einem 3-jährigen Studium in Mobbingberatung ergänzt wurde, dieser Arbeit gewidmet. Weit über 1000 Fälle sind in ihren Akten dokumentiert; ” dann habe ich aufgehört zu zählen”, so Annegret Grothkopp. Inzwischen hat sich die Seniorin in ihren Ruhestand zurückgezogen, das Ohr aber weiterhin an den Sorgen. “Nicht ein Fall ist wie der andere und die Anzahl hat hohe Wellen und flacht manchmal etwas ab. Die Zeit während Corona brachte wieder eine sichtbare Erhöhung. Es sind nicht nur Frauen: auch Männer sind häufig davon betroffen, in ihrer Offenbarung nach Außen allerdings zurückhaltender als Frauen. Beide betrifft es meist an ihrem Arbeitsplatz mit verheerenden Folgen für ihre berufliche Laufbahn, ihr Familienleben, den Freundeskreis und vor allem die Gesundheit. “Die Fälle haben mir enge Kontakte zu den Anwälten, Richterinnen und Richtern bis hinauf in das Sä. Staatsministerium beschert. Selbst unser RP Kretschmer sieht Mobbing nicht als Lapalie, sondern unterstützt ein konsequentes Vorgehen. Die Möglichkeit, als Beisitzer oder einer Art Fachgutachter bei Prozessen vor Gericht zu agieren, hatte ich nicht. Diese Gremien haben sich aber oft vorher mit mir in Verbindung gesetzt, um sich einen fachlichen Rat zu holen. Ich durfte dem Prozess nur als normaler Zuschauer beiwohnen.”
In Colditz liefen in den letzten Jahren Vorgänge ab, die einem Beobachter schon zu denken geben. Einer der öffentlich gewordenen Fälle ist der Ausstieg von Angèlique H.; eine Angestellte, bestens Gebildete, spricht englisch, französisch und spanisch, kündigte nach Mobbing und Burn-Out im Rathaus. Wäre es nicht eine Super-Besetzung für das Projekt Colditz 2.0 gewesen? Seitdem spicht die Fluktuation in diesem Haus Bände. Das Ordnungsamt läuft Gefahr, zu verwaisen. Der bisherige OA-Leiter geht in den Ruhestand, die erste Nachfolgerin hat ihren Arbeitsplatz nach Streit gar nicht erst angetreten. Eine weitere trat diesen Job zwar ohne vorheriges Studium an, sollte das allerdings parallel zu ihrer Arbeit nachholen. Auch sie ist inzwischen ausgestiegen; Beruf und Familie müssen miteinander harmonieren. Auch eine Azubin trat nach der Lehre nicht die geplante Arbeitsstelle im O-Amt an. Um nicht ab April führungslos dazustehen, ist über die Social-Medien eine AK-Suche gestartet worden. Ein wahnsinniges Aufgabengebiet, was also hochqualifizierte Bewerber in ein engagiertes, sympathisches Team von 48 Mitarbeitern lockt. In die Teilzeit von 30 Wochenstunden, zu denen allerdings auch der Samstag zählt, soll all das bewältigt werden. Natürlich muss da auch mal der Sonntag bei Bedarf d`ran glauben. Wir sind ein angesehener, wertgeschätzter Arbeitgeber. Das 30-Wo.-Std.-befristete Verhältnis gilt für 12 Monate mit der Möglichkeit einer späteren, unbefristeten Einstellung. Wer mag denn die Person sein, die das entscheidet? Es ist aber nicht die einzige Stelle, die neue Mitarbeiter sucht.
Vor fast einem Jahr war ich als Presse bei einer Verhandlung vor dem Leipziger Arbeitsgericht zugegen. Die Richterin Kaminski riet noch vor dem Urteilsspruch den Verklagten, nicht in Revision zu gehen; “auch wenn wir in einem Jahr wieder hier sitzen, wird sich nichts ändern”. Dem Kläger gab sie aber zu verstehen, dass das psychisch Erlebte ewig in seinem Kopf haften bleiben wird. Mit ihrer Hand zeigte sie auf ihren Hinterkopf und sagte: “selbst wenn sie die Arbeitsstelle wechseln, erleben aber zufällig ein Gespräch mit jemand, der eine ähnliche Situation schildert, kommt das alles schlagartig bei ihnen wieder in Erinnerung. Es bleibt eine seelische Belastung bis an ihr Lebensende.” Die Verklagten-Vertreter (Anwalt und HAL) verließen noch ehe der Urteilsspruch bekannt gegeben war, das Gerichtsgebäude.
Anmerkung: Am Vorabend vor Ablauf der Widerspruchsfrist von 4 Wochen tagte in Colditz der Stadtrat. Auf dem TOP-Plan stand die Entscheidung, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Colditz hat 18 Stadträte; alle waren aber kaum über die Fakten des Rechtsstreites informiert. Das Abstimmungsergebnis: sechs SRe stimmten mit JA, alle anderen anwesenden enthielten sich der Stimme. So konnte man nun in Ruhe in Berufung gehen. Noch vor dem Termin der Widerspruchsfrist schickte ich SR W.Eismann (Chef der BüZ-Fraktion) schiftlich eine Frage nach seiner Meinung zu diesem Verfahren – bis heute keine Antwort! Wollte denn die BüZ in ihrem Wahlversprechen nicht Colditz mit Schwung voranbringen?
Eine Erklärung von oberer Stelle dazu: Wenn sie einen kleinen Betrug oder Diebstahl machen, haften sie als Privatperson für den Schaden samt Anwalts- und Gerichtskosten. Als Person im öffentlichen Amt trägt der Staat die Kosten. Da ist es denen doch egal, wie das Ergebnis ausgeht. Wäre es nicht besser, diese Gelder für unsere Kindergärten, Schulen oder Seniorenbetreuung einzusetzen. Ein ähnlicher Prozess lief doch in Colditz schon vor Jahren mit der CWG; Gesamtschaden für die Stadt – eine saftige 6-stellige Summe. Hat schon mal ein SR nachgefragt, wieso diese Summe völlig unsinnig verplembert wurde, obwohl der Ausgang des Prozesses bekannt war?
In einem anderen Gespräch mit einer Kollegin der Rechtsaufsichtsbehörde legte man mir dar, dass die in Colditz praktizierte Personalpolitik kein Einzel- oder gar Sonderfall ist. Wird in einer Behörde der Amtschefstuhl neu besetzt, werden oft auch kurz danach die Sekretärinnen oder Untergeordneten des alten Chefs ausgetauscht. “Die wissen zuviel, das ist für mich nicht gut oder ich hab dafür `nen guten Freund! Die RA-Behörde kann da in den seltensten Fällen eingreifen; die Anzahl ist viel zu hoch.”
So sollten uns unsere Nachfahren nicht finden...

So sollten uns unsere Nachfahren nicht finden…

In einem Gespräch mit einer Neurologin legte sie mir ihre Erfahrungen dar: Die Zahl der Patienten in den Psychischen Praxen hat seit der Wende sprunghaft zugenommen; so viele hat es zu DDR-Zeiten nicht gegeben. Die Fälle, die man unter “Mobbing” einzuordnen versucht, haben manchmal völlig andere Hintergründe. Es kann lange dauern, bis man da als Arzt durchblickt. Nicht alle Probleme lassen sich medizinisch beheben: oft wäre ein sachliches Gespräch miteinander dienlicher.” Eine Kollegin ergänzte es, wie es die Alten noch im Gedächtnis haben; Früher haben wir miteinander am Frühstückstisch ein Käffchen getrunken und dabei über alles mogliche gesprochen. Das traut sich heute gar keiner mehr, es herrscht die Angst, selbst unter Kollegen etwas Falsches zu sagen. Die Verrohung untereinander hat enorm zugenommen.
Trotzdem: Sollten sie den berechtigten Verdacht haben, gemobbt zu werden, dann wenden sie sich an eine dafür zuständige Stelle. Klein beizugeben, könnte ihnen einen irreparablen, gesundheitlichen und seelischen Schaden zufügen. Suchen Sie notfalls einen Facharzt auf!

spiegel

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